Wer sich im Hochsommer schon einmal zusammen mit vielen anderen in geschlossenen Räumen aufgehalten hat, zweifelt nicht mehr am Sinn einer Gebäudeklimatisierung. Klar ist aber, dass diese in der Regel so ökologisch bedenklich wie kostenintensiv ist. Die Zusammenarbeit der Ritter Energie- Umwelttechnik und der Ritter XL Solar mit der Hochschule Karlsruhe, dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Oberhausen und dem Ettlinger Prozesstechnikunternehmen GEA Wiegand hat ein wissenschaftliches Pilotprojekt hervorgebracht, das eine klimaneutrale Gebäudekühlung mithilfe von Vakuum-Röhrenkollektoren und einer Dampfstrahlkältemaschine realisiert (BMBF Förderzeichen 033RI0908B). Das ist weltweit bisher einmalig. Als Standort dienen die Dächer der Hochschule Karlsruhe. Aufgrund des innovativen Charakters ist das Projekt mit dem diesjährigen OTTI-Innovationspreis ausgezeichnet worden und zählt zu den Finalisten beim diesjährigen Intersolar AWARD in der Kategorie Solar Projects in Europe.
Sonnenlicht kühlt Hochschule in Karlsruhe
Die Idee, mit einer Dampfstrahlkältemaschine (DSKM) Dampf zur Kühlung zu nutzen, ist nicht neu. Herkömmlicherweise dienen als Energiequellen allerdings Erdgas, Kohle, Abwärme oder Öl. In Karlsruhe liefert nun eine Solaranlage den Dampf, der zum Betrieb der Dampfstrahlkältemaschine benötigt wird. Die Hochleistungskollektoren von Ritter erzeugen im Sommer den emissionsfreien Prozessdampf durch Direktverdampfung im Kollektorfeld. Der Dampf dient als Antriebsenergie für die Erzeugung von kaltem Wasser in der DSKM. So wird Solarenergie gerade dann effektiv genutzt, wenn sie am meisten vorhanden ist.
Aber auch im Winter liefert die Anlage einen wichtigen Mehrwert. Für den Einsatz in Kombination mit der Dampfstrahlkälte verbesserte Ritter XL Solar die Dämmung und die Strömungsführung der Dampferzeugung seiner Sonnenkollektoren. Eine einzige Anlage kann daher sowohl Prozessdampf als auch Warmwasser erzeugen und gestattet den Gebrauch solarer Energie so flexibel wie nie zuvor.
Für diesen innovativen Verwendungszweck zieren seit Ende 2013 80 Vakuum-Röhrenkollektoren mit Plasmatechnologie der Ritter XL Solar mit einer Gesamtfläche von 400 Quadratmetern das Scheddach des Laborgebäudes Bauwesen der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft. Zum ersten Mal überhaupt arbeitet hier eine große Solarfläche in Kombination mit einer Dampfstrahlkältemaschine. Alexander Jandrey, Projektleiter bei Ritter XL Solar: „An der Hochschule Karlsruhe haben wir optimale Bedingungen vorgefunden. Nicht nur, dass das Scheddach nach Süden ausgerichtet ist, auch die 30-Grad-Neigungen der Dächer sind ideal, um möglichst viel Sonne einzufangen.“ Der gemeinsame Einsatz von Sonnenkollektoren und Dampfstrahlkältemaschine verspricht darüber hinaus einen sehr hohen Wirkungsgrad. Jährlich werden in Deutschland circa 200 Petajoule (PJ) Prozesswärme in Form von Dampf verbraucht. Würden davon allein fünf Prozent durch solar erzeugten Dampf ersetzt, könnten so beispielsweise 300 Millionen Liter Öl oder 940.000 Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden – ein Potenzial, das unbedingt genutzt werden sollte.
Im Sommer kühlen, im Winter wärmen
Die Anlage wird mit Sonnenenergie betrieben und soll das Gebäude an heißen Tagen herunterkühlen. „Daraus ergibt sich auch das Geniale an der Installation“, sagt Alexander Jandrey. „Je heißer der Sommertag ist, desto mehr Energie erhält die Maschine für die Kühlung. Das spart Ressourcen und Kosten.“ Für besonders leistungsstarke Sonnenkollektoren wie der Ritter Vakuum-Röhrenkollektoren mit Plasmatechnologie erschließt sich so ein neues Marktsegment. Anders als die sonst genutzten konzentrierenden Systeme, zieht er selbst aus diffuser Sonnenstrahlung die maximale Energie und erreicht anders als herkömmliche Kollektoren ausreichend hohe Betriebstemperaturen von rund 140 Grad Celsius, um die DSKM anzutreiben – auch in gemäßigten Zonen.
Da sein Wärmeträger einfaches Wasser ohne Glykol ist, ist eine Überhitzung ausgeschlossen. Einer Beschädigung durch Stagnation wird so vorgebeugt. Bei Vakuum-Röhrenkollektoren mit Plasmatechnologie von Ritter handelt es sich um die derzeit leistungsstärksten am Markt. Sie erzielen in der Karlsruher Anlage mindestens 160 Megawattstunden Wärmeenergie jährlich – unter günstigen Bedingungen sogar 178 Megawattstunden. Für den Einsatz in Kombination mit der Dampfstrahlkältemaschine passte Ritter XL Solar seine Sonnenkollektoren dahingehend an, dass die Dämmung und die Strömungsführung der Dampferzeugung verbessert wurden.
Nichts verpufft ungenutzt
Für einen wirklich effizienten Betrieb der solaren Großanlage kommt es vor allem darauf an, dass die produzierte Wärme oder Kälte bei Überschuss gespeichert werden können. Sollte die Sonne einmal über längere Zeit wenig Energie bereitstellen, sorgt daher ein an der Hochschule Karlsruhe entwickelter Latentwärmespeicher auf Polyethylen-Basis für ausreichend Wärme. Zwischen Temperaturen von 125 bis 135 Grad Celsius schmilzt das Polyethylen und dient so als thermischer Akku. Auch für das Kühlwasser steht eine Lösung parat: Ein latenter Kältespeicher bewahrt die überschüssige Kälte in einem Tank mit einem Paraffin-Wasser-Medium. So wird eine höhere Speicherkapazität als in herkömmlichen Wasserspeichern erzielt.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig
Das erfolgreiche Testmodell lässt sich auch weiter denken: So könnte die solare Prozesswärme auch für Dampfabnehmer aus den Bereichen Lebensmittelerzeugung, chemische Industrie, Wärmeversorgung, industrielle Reinigung oder eventuell auch für die Stromversorgung interessant werden. Die Kombination von hohem Solarertrag bei gleichzeitig hohem Kühlbedarf besteht beispielsweise auch bei Hotelanlagen im Mittelmeerraum. Hier ist ein lohnenswerter Einsatz ebenfalls vorstellbar.
Bis zur Marktreife arbeitet die Ritter XL Solar weiter daran, die Sonnenkollektoren für den neuen Einsatzbereich zu optimieren.